Bayer und der OFC



Die Fans von Bayer 04 und Kickers Offenbach pflegen seit 1979 eine enge Beziehung. Es kursieren ja etliche Legenden, wie es zu dieser legendären Freundschaft kam. Alles postfaktisch! Hier also die wahre Story von denen, die daran schuld gewesen sind.

En Äppelwoi passt immer noi...

is noch nicht ganz fettich!

Schuld daran ist eigentlich der Jürgen Gelsdorf

Es war der 23. August 1980, ein verhangener, kühler und windiger Sommertag, erst der dritte Spieltag der noch jungen Bundesligasaison. Die Sonne hielt sich den ganzen Vormittag bedeckt und mochte erst aufgehen, als unser Trainer Willibert Kremer seine Mannen in den Großkampf gegen die Frankfurter Eintracht auf das Feld schickte.

Die 11.000 Zuschauer hüpften vor Begeisterung auf den schlackebedeckten Rängen des altehrwürdigen Haberland-Stadions, als unsere Fußballgötter wie Fred-Werner Bockholt, Jürgen Gelsdorf, Thomas Hörster, Peter Hermann, Arne-Larsen Ökland oder Dieter Herzog, um nur einige zu nennen, aus den Katakomben kommend den heiligen Rasen betraten.

In der Anfangsviertelstunde des Spiels tasteten sich beide Mannschaften zunächst ab. Nach einer Viertelstunde tastete unser Abwehrrecke Jürgen Gelsdorf den doch recht schwächlichen Frankfurter Jungstar Bum-kun Cha ein wenig kräftiger ab, der sich daraufhin auf den Boden legte (liegenlassen, tritt sich fest!) und nicht mehr länger mittun wollte.


Da lief er noch...

Jürgen stellte klar: „Ein Zweikampf wie tausend andere, die ich bislang in meiner Karriere geführt hatte. Nur mit ganz anderen Folgen. Cha wollte an mir vorbei, ich grätschte zum Ball, traf seinen Fuß, er stürzte. Ein Foul. Doch bei der Landung auf dem Rasen landete mein Gegenspieler unglücklich auf dem Rücken.“

Der koreanische Angreifer wurde gegen den Frankfurter Ersatzspieler Stefan Lottermann (der mit der Herrenbotike in Wuppertal) ausgetauscht und Schiedsrichter Klaus Ohmsen aus Hamburg zeigte Jürgen für das Remplerchen - völlig überzogen - eine Gelbe Karte.

Der Rest des Spiels ist für unser Thema nicht mehr von Bedeutung. Nur der Statistik zuliebe sei erwähnt, dass unser Bayer die favorisierten Gäste vom Main anschließend durch Tore von Arne-Larsen Ökland, Dieter Herzog und Dietmar Demuth mit 3:2 besiegte und unter unseren Hohn- und Spottgesängen nach Hause schickte.

Schuld daran ist eigentlich die Lügenpresse

Damals war es mit der Presse nicht anders als heute. Sensationen und Skandale verkaufen sich halt viel besser als eine belanglose Wahrheit, vor allem, wenn das Opfer ein Promi und der vermeintliche Täter quasi ein Nobody ist, der sich nicht wehren kann. Das Gerücht, dass Bum-kun Cha schwer verletzt im Krankenhaus liege und wahrscheinlich nie wieder Fußball spielen könne, machte in kürzester Zeit die Runde.


Bum-kun Cha

Der Übungseiter der Niedertracht, Lothar Buchmann, behauptete zudem, er habe Geles Stollenabdrücke auf dem Rückgrat von Bum-kun Cha gesehen. Was für eine dreiste Lüge, die von den Medien von der Blöd bis zum ZDF ohne den geringsten Skrupel und ohne die geringste Überprüfung auf Wahrheit begierig aufgegriffen wurde! Die Reaktion des dermaßen aufgehetzten Frankfurter Anhangs ließ nicht lange auf sich warten.

Schuld daran sind eigentlich die Brathähnchen

Aufgepeitscht von den haltlosen Vorwürfen waren sich die Frankfurter Rüpel nicht zu blöde, Mord- und andere Drohungen gegen den armen Jürgen Gelsdorf auszusprechen. In der Geschäftsstelle von Bayer04 stapelten sich hunderte von Drohbriefen unter anderem eines Mordkommandos Bum-kun Cha, das angeblich nach Leverkusen aufgebrochen wäre und „den Gelsdorf umlegen“ würde. Bei nächsten Spiel solle er vom Tribünendach aus erschossen werden.

Gele erhielt von der Polizei über mehrere Wochen Personenschutz, das Training wurde polizeilich überwacht und Mitspieler übernachteten bei Gele, um ihn zu schützen. Gele war verständlicherweise ziemlich fertig und spielte gar mit dem Gedanken, seine Fußballstiefel an den Nagel zu hängen. Glücklicherweise entschied er sich anders: „Gegen Borussia Mönchengladbach wollte ich auf dem Platz stehen und allen zeigen: Ihr kriegt mich nicht klein!“ Und tatsächlich erwiesen sich alle Drohungen als haltlos und der Frankfurter Mob als Papiertiger. Nichts passierte!

Der ach so schwer verletzte Bum-kun Cha (tatsächlich hatte er sich beim Sturz einen Lendenwirbel angeknackst) stand nach einigen Wochen wieder auf dem Platz, wechselte pikanterweise drei Jahre später nach Leverkusen, wo er noch zwei Jahre mit Jürgen zusammen in einer Mannschaft spielte. So verrückt ist der Fußball! Aber dies war eine andere Geschichte...

Schuld daran ist eigentlich unser Vater

Wie es der Fußballgott so wollte, wurde einige Wochen später für die zweite Hauptrunde des DFB-Pokals die Partie Kickers Offenbach – Bayer Leverkusen ausgelost. Hatte sich der ganze Aufruhr in der Zwischenzeit etwas gelegt, fühlten sich prompt die Anhänger der Eintrag bemüßigt, ihren Hass auszukübeln und wilde Mord- und Gewaltdrohungen gegen uns auszuschütten, obwohl da schon lange klar war, dass sich Bum-kun Cha nicht schwer verletzt hatte, schon längst wieder fleißig trainierte und kurze Zeit später (am 15.10.) auch wieder auf dem Platz stand).

Mein kleiner Bruder und ich beschlossen trotz alledem, zum Pokalspiel nach Hessen zu fahren (ne, das war eigentlich selbstverständlich). Doch etwas mulmig war es uns angesichts der Drohungen aus dem Hessischen doch. Beruhigung und weiser Rat folgte aber von gänzlich unerwarteter Seite: Unser Vater hatte in Offenbach seine Lehre absolviert und wusste deshalb um die besondere „Freundschaft“ zwischen Offenbacher und Frankfurter Fans. Er riet uns, dass, wenn Ärger mit den Frankfurtern drohen würde, wir bei den Offenbacher Fans Schutz suchen könnten. So konnten wir uns quasi unter väterlichem Schutz nach Offenbach aufmachen.

Schuld daran sind eigentlich Udo und Rolf

Der sonnige und für einen Herbsttag recht warme 3.10. Freitag sonnig warm
Wir wollten uns vorab das leere Stadion am Bieberä Bärsch ansehen und standen bald in der Mitte der später so benannten Waldemar-Klein-Tribüne, als auf der anderen Seite des ein Frankfurter nach dem anderen in die Westtribüne eindrang. Da uns einige hohe Zäune und das weite Spielfeld von diesem Mob trennten, erkletterte ich ohne die geringste Furcht einen Wellenbrecher und schmetterte den Neuankömmlingen ein herzliches „Hier regiert der SVB!“ entgegen mit dem Hinweis an meinen jüngeren, verängstigt dreinblickenden Bruder, dass „die da hier niemals rüberkommen könnten“.


Freund- und Feindschaftsaufkleber

Konnten sie aber doch, denn einer nach dem anderen hoppte über den Zaun und rannte in unsere Richtung. Als folgsame Söhne unseres Vaters verzogen wir uns eilends aus dem Stadion und schlossen uns einer Äppelwoi trinkenden größeren Gruppe Offenbacher Fans hinter dem Stadion an. Der Offenbacher Anhang um uns tickte

Schuld darin sind eigentlich die OFC- und die Bayer-Fans!

Rückspiel Frankfurt
Relegation Braunschweig
Die Freundschaft wurde dann am Ende der Saison 1981/82 auf die härteste aller denkbaren Proben gestellt, als sich Bayer 04 und Kickers Offenbach in den beiden Spielen der Relegation ausmachen mussten, wer die folgende Saison erst- und wer zweitklassig spielen sollte.

Einer, der damals dabei war, erinnert sich: „Ich weiß noch, wie die Leverkusener nach dem Abpfiff quer über den Rasen auf unsere Kurve zu rannten, dass der Polizei himmelangst wurde .Die Beamten fürchteten schon das Schlimmste und waren völlig von den Socken, als die Bayer 04 Fans dann anfingen, unsere Hymne zu singen und den OFC zu feiern.“


Szene aus dem Relegationsspiel 1981

Die Freundschaft besteht nach 35 Jahren immer noch. Immer wieder sind Bayer04-Fans am Bieberer Berg zu sehen und oft treten wahre Horden von OFC-Fans die Reise ins Rheinland an, um ihre Leverkusener Freunde zu unterstützen. Offenbacher und Leverkusener feiern zusammen und trauern zusammen; längst sind persönliche Freundschaften, ja eheähnliche Verhältnisse entstanden.


Der erste Fanclub und seine Offenbacher Freunde

Etwas Vergleichbares gibt es höchstens noch zwischen Schalke und Nürnberg. Die Freundschaft unserer Fan-Clubs ist also so ziemlich einmalig.